Kooperationspartner des HBG Bruchsal mit weltweiten Kontakten
Ein Virus kommt selten allein
DAAD-Freundeskreis sammelt Reaktionen auf Rassismus in den USA
Bruchsal/Heidelberg (Be). Die jüngsten Übergriffe amerikanischer Polizisten auf dunkelhäutige Landsleute lösten Proteste historischer Tragweite aus und erinnern daran, dass „Corona“ nicht das einzige Virus ist, mit dem die Menschheit zu kämpfen hat. Rassismus ist ein anderes. Ob die Tötung des unbewaffneten und wehrlosen George Floyd oder die ebenso grundlose Festnahme des CNN-Journalisten Omar Jimenez vor laufender Kamera – die Bilder aus den USA rufen dunkelste Zeiten ins Gedächtnis und machen deutlich, dass die Hautfarbe im vermeintlichen „Land der Freien“ auch im Jahr 2020 noch über menschliche Schicksale entscheidet. Doch nicht nur die Vereinigten Staaten sind betroffen. Rassismus ist längst zur Pandemie geworden, es gibt kein Land, keine Region, keine Gesellschaft, vor der dieses grassierende Virus Halt macht. In Deutschland wurde erst im Februar Hanau zum Schauplatz menschenverachtender Gewalt und unsagbaren Leids und war dabei doch nur ein weiterer Name auf der langen Liste rassistisch motivierter Verbrechen.
Der in Bonn ansässige Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) hat sich auf die Fahnen geschrieben, mit seinem vornehmlich aus öffentlichen Geldern finanzierten Budget von mehr als einer halben Milliarde Euro das „Verständnis zwischen Völkern und Individuen“ zu fördern und damit zu helfen „den Frieden zu sichern“. Um zu diesem Ziel beizutragen und ein Bewusstsein zu schaffen für die globale Bedeutung der aktuellen Rassismus-Debatte in den USA, hat der DAAD-Freundeskreis Rhein-Neckar, Kooperationspartner des Heisenberg-Gymnasiums Bruchsal (HBG), Stimmen von Stipendiatinnen und Stipendiaten sowie Alumni aus aller Welt gesammelt. Denn letztlich kann Rassismus nur unter Einbeziehung unterschiedlicher Perspektiven und historischer Hintergründe eliminiert oder zumindest eingedämmt werden. Wie in der Corona-Krise kommt es dabei darauf an, die Infektionsgefahr zu minimieren, Superspreadern Einhalt zu gebieten und die Zahl der Infizierten zu reduzieren. Nur einen Impfstoff wird es in diesem Fall definitiv nicht geben.
„Rassismus ist bedauernswerterweise ein Teil des Menschen”, lamentiert denn auch José Manuel Pavón Vazquez aus Mexiko und hofft auf die Empathiefähigkeit jedes Einzelnen: „Wolltest du, dass so etwas deinem Vater passiert, deiner Mutter, deinem Bruder, deiner Schwester, einem Freund?“ Angesichts der Unterschiede zwischen den Menschen sei es wichtig sich gegenseitig kennenzulernen, um so eine bessere Lebenswelt für alle zu schaffen. Ronald Van Crombrugge aus Belgien zeigt sich „unglaublich wütend“ angesichts der Bilder aus den USA und sieht es als seine Pflicht an, „zuzuhören, zu verstehen und zu unterstützen.“ Als Mann mit weißer Hautfarbe habe er Privilegien in dieser Welt, dessen sei er sich bewusst. „Ich werde wohl nie den Schmerz, die Verletzungen, die Ungerechtigkeiten ertragen müssen, die systematischer Rassismus mit sich bringt. Weiße Männer dominieren die öffentliche Meinung seit Jahrhunderten, ja seit Jahrtausenden", so Van Crombrugge. "Es ist längst überfällig, Demut zu zeigen und die öffentliche Bühne denen zu überlassen, die Zeugnis ablegen und von ihren Erfahrungen berichten können. Wir haben viel zu lange ein fundamental ungerechtes System akzeptiert!"
Der Nepalese Rupesh Shrestha hebt vor allem den Zusammenhang zwischen Rassismus und den sozio-ökonomischen Bedingungen eines Landes hervor. „Solange es diesbezüglich Ungleichheit gibt, wird es auch Diskriminierung geben“, betont er. Noch pessimistischer schätzt ein DAAD-Alumnus aus dem Sudan die Lage ein, der anonym bleiben möchte: „Ich glaube nicht, dass diese Tragödie jemals enden wird!“ Der jahrhundertealte Rassismus gedeihe im „Land der Freiheit und Chancengleichheit“ bis heute – trotz traumatisierender Segregationserfahrungen. Dass das Rassismus-Virus auch die Generation der Kinder beeinflusst, beobachtet Serdar Durdyyev aus Turkmenistan, und fordert mehr Investitionen in Bildung, etwa verpflichtende Anti-Rassismus-Kurse in Schulen oder mehr interkulturelle Aktivitäten. Trevelyan Wing aus den USA, als Teilnehmer des Freundeskreis-Programms „Schule hautnah“ bereits Gastreferent am HBG Bruchsal, sieht Rassismus als Geburtsfehler seines Heimatlandes an und verweist darauf, dass die afro-amerikanische Community auch höhere Corona-Todeszahlen zu verkraften hat. Angesichts dieser Benachteiligungen sei das zentrale Motto der aktuellen Demonstrationen tragischer- und ironischerweise doppelt passend: „I can´t breathe!“ – „Ich kann nicht atmen!“
Eine aktualisierte Version des Artikels mit Bildern der Anti-Rassismus-Demonstration in Mannheim und weiteren Stimmen aus aller Welt findet man hier.