Von Tänzen, Trachten und Teigtaschen
Aktionstag zum slawischen Kulturraum am HBG Bruchsal
Bruchsal (Be). Schon nach wenigen Minuten war in der Aula des Heisenberg-Gymnasiums Bruchsal (HBG) das Eis gebrochen. Als die Familien der aus der Ukraine geflüchteten Schüler:innen Anton Malyshev und Marharyta Malysheva mit der versammelten Schulgemeinschaft das Nationalgericht Wareniki teilten, gefüllte Teigtaschen und im gesamten osteuropäischen Raum beliebt, bildete sich schnell eine lange Schlange. Es war der gelungene Auftakt eines denkwürdigen „Kultur macht Schule“-Aktionstags, der den Fünft- bis Elftklässler:innen des HBG unter dem Motto „Unsere Nachbarn im Osten – der slawische Kulturraum“ spannende Einblicke in Alltag, Geographie, Politik und Geschichte der viele unterschiedliche Länder umfassenden Region ermöglichte.
Nach der Begrüßung durch Lehrerin Pascale Farber, die den besonderen Schultag zusammen mit ihrem Kollegen Lukas Grundmüller organisiert hatte, übernahmen zunächst die Cousins Anton und Marharyta das Zepter, die kriegsbedingt seit dem vergangenen Jahr das HBG besuchen und in dieser kurzen Zeit bereits beeindruckende Deutschkenntnisse gesammelt haben. In einer berührenden und interaktiven Präsentation machten sie die Schüler- und Lehrerschaft mit Facetten ihrer Heimat vertraut, die in den täglichen Nachrichtensendungen aus dem überfallenen Land zwischen Lwiw und Luhansk nur selten eine Rolle spielen. So sorgten sie, unterstützt von ihren Familien und gekleidet in traditionelle Wyschywanka-Trachten, nicht nur für ein kulinarisches Highlight am frühen Morgen, sondern stellten u.a. auch den Siegersong des Eurovision Song Contests 2022, „Stefania“, vor sowie „Schtschedryk“, ein ukrainisches, ursprünglich heidnisches Volkslied, das als Weihnachtslied „Carol of the Bells“ weltweit Bekanntheit erlangte. Für den Abschluss der Auftaktveranstaltung im Plenum zeichnete Musiklehrer Samuel Kammerer verantwortlich, der mit seiner achten Klasse das serbische Volkslied „Ajde Jano“ zum Besten gab.
In der anschließenden Workshop-Phase, die drei 90-minütige Schienen umfasste, beschäftigten sich die Unter-, Mittel- und Oberstufenschüler:innen altersgemäß mit slawischen Tänzen und Ornamenten, sprachlichen Phänomenen und Literatur, Besonderheiten der slawischen Küche, dem Studienfach Slawistik, slawischer Mythologie, einer deutsch-slawischen Liebesbeziehung, dem osteuropäischen Wurfspiel Gorodki, dem Balkankrieg, deutschen Siedlerinnen und Siedlern in Osteuropa sowie einer Einwanderungs- und Familiengeschichte aus dem Sudentenland. Besonders im Fokus standen zudem die Länder Bosnien, Russland, Tschechien und Polen.
Für die Vorträge hatte das Organisationsduo Farber/Grundmüller neben zahlreichen HBG-Lehrkräften und der Elftklässlerin Bianca Just als externe Referent:innen auch Johannes Heinen, früherer Rechtsberater der Bundeswehr und Vater von Lehrerin Nina Bayat, den US-Amerikaner Walker Thompson, Stipendiat des Deutschen Akademischen Austauschdienstes und Slawistik-Doktorand an der Universität Heidelberg, die Russin Ekaterina Rusanova und die Bulgarin Ilina Bach, Mütter von HBG-Schüler:innen, sowie die Karlsruher Tanzdozentin Maartje Sauer gewinnen können.
„Den slawischen Raum auf so vielfältige und berührende Weise zu erkunden, ist ein Gewinn für alle Beteiligten!“, unterstrich Schulleiter Manuel Sexauer, verbunden mit „einem großen Dankeschön“ an das Organisationsduo und die Referent:innen. Als UNESCO-Projektschule und „Kulturschule Baden-Württemberg“ sei dem HBG „ganzheitliches Lernen“ ebenso wichtig wie „das Vermitteln von Werten und das Vorleben von Offenheit und Neugier für andere Menschen und Kulturen“. Dies gelte speziell auch für Osteuropa, „das vielen von uns bis zum Aktionstag recht fremd war, da Reisen oft eher in den Norden, Süden oder Westen gehen“. Das Unbekannte liege manchmal sehr nahe, betonte Sexauer.