Ein Staatsfeind zu Besuch

Ettlingen (Jakob Scheib/Ba). Am 28.03.2022 besuchte der Zeitzeuge Norbert Sachse den Geschichtsunterricht der Jahrgangsstufe 12 des Ettlinger Heisenberg-Gymnasiums. Gleich zu Beginn seines Vortrags schockierte er die Schülerinnen und Schüler mit folgenden Worten: „In Ihrem Alter war ich in den Augen der DDR schon ein Staatsfeind und musste jahrelang ins Gefängnis.“
Nach einer kurzen Vorstellung las er die ersten Kapitel seines Buchs „Die Akte S – Fünf Jahre in den Mühlen des MfS“ vor. Schnell war klar, dass es sich bei ihm nicht um einen Verbrecher, sondern um einen Gegner der SED-Diktatur handelte.
In dem Auszug über seinen ersten Tag in Haft wurde ein eindrucksvoller Einblick in das Leben eines unschuldigen Gefängnisinsassen eröffnet, der seine Haft zwischen Männern absitzen musste, die schwere Straftaten begangen hatten. Später erzählte Herr Sachs noch, wie die Stasi ihn schikanierte und er schließlich nach mehreren Jahren Haft in verschiedenen Gefängnissen durch die Unterstützung der Bundesregierung die DDR verlassen konnte.
Nach der Leseprobe hatte die Klasse noch die Möglichkeit, ausführlich Fragen an Herr Sachse zu stellen, die er ohne Tabus beantwortete, beispielsweise wie aus einem überzeugten Sozialisten aus einem kommunistischen Haushalt später ein politischer Gegner der DDR geworden sei. Sachse antwortete, dass für ihn sowohl der Einmarsch in die Tschechoslowakei als auch die Selbstentzündung Jan Palachs große Wendepunkte dargestellt hätten. Ab da habe er begonnen, Flugblätter zu verteilen, was zu seiner Verhaftung geführt habe. Auch über die Bespitzelung und seine Stasi-Akte, die 2000 Seiten dick ist, berichtete er. Mit seinem Plädoyer, dass wir nie vergessen sollten, wie unstabil Demokratien sein können, endete der lehrreiche Besuch von Norbert Sachse.
Zeitzeuge Norbert Sachse im Gespräch mit Schülerinnern und Schülern der Jahrgangsstufe 12. (Foto: Badior)