Lust am Schreiben?  Paula hatte sie!

Ettlingen (Ba). Zum vierten Mal schrieben die Jugendstiftung der Sparkasse und die Literarische Gesellschaft Karlsruhe einen Schreibwettbewerb aus. Fast 350 Schülerinnen und Schüler aus der Region haben Geschichten, Essays oder Szenen zum Thema „Miteinander“ eingereicht. Auch von den Heisenberg-Gymnasien kamen viele Einsendungen. Eine Geschichte überzeugte die Jury besonders. Es war die von Paula Schneider aus der 7e des Ettlinger Heisenberg-Gymnaisums. Sie erreichte einen von drei ersten Plätzen.  Am 15.7. 2021 überreichte ihr Deutschlehrer Dietmar Muser die Urkunde und die Büchergutscheine.

Die Suche nach diesem „Miteinander“, Paula Schneider

Hallo, ich bin Linus und ehrlich gesagt, ich weiß nicht wo ich anfangen soll… In letzter Zeit ist sehr viel passiert und dabei rede ich nicht nur von unserem Umzug in eine ganz andere Stadt. Für manch andere ist es wahrscheinlich nicht so schwer umzuziehen, aber glaubt mir, für mich war es das. Abgesehen davon, dass ich jetzt ein Zimmer mit meinem kleinen Bruder teilen muss, musste ich natürlich auch auf eine ganz andere Schule und für jemanden wie mich ist es schwer Freunde zu finden. Wir sind schon so oft umgezogen, da mein Vater für einen großen internationalen Konzern arbeitet, dass ich es mir in letzter Zeit abgewöhnt hatte Freunde zu finden. Ich meine, wenn ich dann Freunde haben sollte, ziehen wir eh wieder um. Ich glaube niemand aus meiner Familie will es so richtig wahrhaben, dass ich so schwer Anschluss finde. Selbst mein kleiner Bruder fragt mich jeden Tag, ob ich schon neue Freunde habe, denn er hatte natürlich schon nach dem ersten Tag einen neuen besten Freund. Auf diese Frage wirft meine Mutter meinem Bruder immer ein unauffällig scharfes „shhhhh“ zu, von dem sogar unser Hund Balu aufwacht und der ist ein richtiges Murmeltier, wenn es ums Schlafen geht! Er ist schon immer mein bester Freund gewesen, egal wie oft wir umgezogen sind… aber eigentlich wollte ich ja eine ganz andere Geschichte erzählen.
Der erste Tag in der Schule und meine Eltern haben mir noch am Morgen zuvor gesagt, ich solle wenigstens versuchen Freunde zu finden und sie haben mich lieb egal was ist… ich wollte meine Eltern nicht enttäuschen, also habe ich mir gedacht ich versuche es einfach mal…und so ging die Suche auch schon los… Die Suche nach was eigentlich? Schwer zu sagen… nennen wir es einfach mal „Die Suche nach diesem Miteinander“. Dann war es auch schon soweit… der erste Schultag in der neuen Schule und ich war ziemlich aufgeregt, aber vielleicht habe ich mir auch einfach zu viel darauf eingebildet. Meine Mutter hat mich nur abgeliefert, mir rausgeholfen und einen Kuss auf die Stirn gegeben, wie es sich eben für einen Jungen in meinem Alter gehört. Der Schulhof kam mir riesig vor und es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis ich vorne angekommen war. Was aber wahrscheinlich auch daran lag, dass mich schon wieder jeder so komisch angeglotzt hatte und das hasse ich an neuen Schulen. Natürlich hatte es auch etwas damit zu tun, dass mit dem Rollstuhl über eine Wiese zu fahren, nicht gerade leicht ist. Ich habe mich irgendwie beengt gefühlt, aber nicht wegen dem Rollstuhl, den habe ich immerhin schon seit ich denken kann, sondern wegen den vielen Augen die aussagten: Wer ist das denn?! Dies aber auf keine nette Art. Es hatte so lange gedauert, dass ich sichtlich erleichtert war, dass unser Klassenzimmer im Erdgeschoss ist. Im Klassenzimmer angekommen waren viele Schüler, die meisten haben mich schon gar nicht mehr beachtet, was ich nicht sonderlich schlimm fand. Mein Blick viel auf eine Gruppe schwarz-grau angezogener Schüler die ihr ausgekautes Kaugummi direkt unter die Tische unschuldiger Schüler klebten. Sie kritzelten die Tafel voll und malten mit Edding auf Tische und Stühle. Ich weiß nicht, aber irgendwie kam mir das Gefühl von Einsamkeit, wenn ich diese coole Gang sah… die haben ein Miteinander, haben alle denselben Haarschnitt (egal ob Mädchen oder Junge), dieselben Klamotten, jeder sieht gleich aus und hat mehr oder weniger auch denselben Geschmack. Das perfekte Miteinander also! Keine Ahnung was ich mir dabei gedacht habe, aber ich hatte fest vor in der Pause zu fragen, ob ich auch in ihre Gang darf. Natürlich nur um Mama und Papa eine Freude zu machen, denn ich würde endlich zu den Coolen gehören! Ich muss ehrlich sein, ich habe im Unterricht nicht wirklich aufgepasst, bis auf die erste Stunde wo ich mich allen vorstellen musste. Ich habe die ganze Zeit überlegt, wie ich die Gang am besten von mir überzeugen kann. Das Einzige was ich mitbekommen habe ist, dass morgen irgendeine Berühmtheit in die Schule käme, was mich nicht wirklich interessiert hat da er mich eh nicht beachten würde. In der Pause ist jeder mit seiner Gruppe zusammengestanden, ob zu zweit, zu dritt oder noch mehr und ich bin natürlich gradewegs auf die Coolen zugerollt. Ich war sehr aufgeregt und dort angekommen stotterte ich auch schon los: H-hi ich, ich wollte nur m-mal Fragen ob ich, also ich würde gerne auch zu eurer Gang gehören, ich finde euch echt cool und ich habe heute sogar eine schwarze Hose an…Daraufhin ging ein gehässiges Lachen durch die Gruppe und urplötzlich habe ich mich mega klein und dumm gefühlt. Sie sagten so Sachen wie „Denkst du wirklich du kannst zu uns dazugehören?!“, aber auch „Kannst du deine Hose überhaupt wechseln du Schwächling? Bist du zu dumm, um auf zwei Beinen zu stehen? Hau ab sonst stolpert noch jemand über dich!“ Sie drehten mir den Rücken zu, klebten beim Vorbeigehen noch ein Kaugummi an meinen Rollstuhl und liefen weg. Ich spürte, wie ein Klos in meinem Hals rund wurde. Ich konnte mir grade noch verkneifen los zu weinen. Ich war so schockiert und traurig, dass ich den restlichen Tag mit niemandem mehr geredet habe und war total eingeschüchtert. Wie konnte man nur so gemein sein? Nur weil ich anders bin? Für kurze Zeit dachte ich wirklich ich wäre zu schlecht für alles und habe mich hilflos gefühlt. Nicht einmal zuhause erzählte ich was passiert war, ich wollte niemanden enttäuschen. Am nächsten Tag wollte ich eigentlich gar nicht in die Schule, aber ich konnte ja schlecht lügen…Ich habe mich in den Schulstunden insgesamt zurückgehalten und mich auch nicht gemeldet, ehrlich gesagt hatte ich ein bisschen Angst vor der meiner Ansicht nach doch nicht so coolen Gang. Irgendwie habe ich mich antriebslos gefühlt. Dann war es auch soweit, die Lehrerin sagte wir sollen nun alle auf den Pausenhof gehen wo jemand besonderes auf uns wartet. Es war ein Basketballspieler wie ich jetzt auch mitbekommen hatte. Alle strömten in voller Geschwindigkeit auf den Mann, der auf einer kleinen Bühne stand, zu. Aus dem Nichts verlor ich den Halt. Ich sah die Kinder aus der Gang die mich von allen Seiten anrempelten und dann nach vorne abhauten. Mein Rollstuhl fing an zu wackeln und ich war kurz davor umzukippen, als ich einfach so wieder Halt bekam. Meine Eltern hatten ja gesagt, dass die Reifen rutschfest seien, aber dass sie so gut sind war mir neu. Es lag jedoch nicht an den Reifen wie ich dann gemerkt habe, sondern an einem Jungen der meinen Rollstuhl mit einem netten Lächeln zum Stehen brachte und dann neu anschob. Er sagte nichts, doch allein durch diese Geste und sein Lächeln habe ich mich stärker gefühlt und die Antriebslosigkeit war mit einem Mal verschwunden. Er schob mich weiter bis ganz vorne in die erste Reihe von wo ich diesen berühmten Basketballspieler super sehen konnte. Als mich dieser Junge geschoben hat, hatte ich die Gang komplett vergessen und sie war mir egal…Jetzt sah ich sie wieder, in der letzten Reihe stehend und etwas beleidigt guckend. „So, hallo meine zukünftigen Basketball-Profis, …“ in dem Moment wurde mir dann auch klar warum jeder so verrückt danach war als erster vorne anzukommen. Der Mann suchte offensichtlich neue Spieler für seinen Verein, oder so. Irgendwie war ich schon etwas enttäuscht, da es mich so gar nicht betrifft, denn dann hätte ich ja eigentlich wirklich zuhause bleiben können. Andererseits wäre die Gang in ihrer Sache dadurch noch bestärkter geworden, was, wenn man genau darüber nachdenkt, wahrscheinlich nicht von Vorteil gewesen wäre. „… wie eure Lehrerin euch schon berichtet hat bin ich hier um ein paar neue Spieler in meinen Verein einzuladen. Ich fange einfach mal ganz zufällig an und frage in die Runde wer denn so…“ Mitten im Satz hörte der Mann auf zu reden und seine Augen stoppten bei mir. Dieser Moment, wenn man nicht weiß, wie man reagieren soll, wenn jemand einen so genau anschaut und erstmal selbst nichts sagt. Ich wusste echt nicht was ich sagen soll, bis der Mann glücklicherweise selbst anfing zu reden: „Du, komm mal hier hoch, auf der anderen Seite ist eine kleine Rampe, dein Freund hilft dir bestimmt hoch.“ Anfangs wusste ich nicht was er mit „dein Freund“ meinte, weshalb ich kurz dachte er meinte gar nicht mich, doch kurz darauf fiel mir der nette Junge ein, der immer noch hinter mir stand. Das machte mich glücklich.  Auf der anderen Seite braucht schließlich niemand außer mir eine Rampe um irgendwo hoch zu kommen, was mir gleich hätte auffallen sollen, denn so saß ich da und habe dumm in die Luft geguckt, ohne zu merken, dass er mich meint. Ich war überrascht, doch der Junge von dem ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht mal den Namen kannte half mir die Rampe hoch. Und so stand ich da auch schon mitten auf der Bühne neben einer Berühmtheit, also geehrt habe ich mich schon gefühlt. Der Mann sah wirklich nett aus und hat weitergeredet: „Ich bin Mark und du?“, „Ich bin Linus…“ antwortete ich. „Linus also…, hast du eventuell Interesse trotz deinem Rollstuhl Basketball auszuprobieren? Deine Lehrerin hat mir schon gesagt, dass du den Rollstuhl schon immer hast und auch gut mit ihm umgehen kannst. Wir haben sogar einen extra Club für Leute im Rollstuhl, sie stehen den anderen in nichts nach.“ Dieses Gefühl anerkannt zu werden ist einfach toll, kurz dachte ich es sei ein Traum. „Ja, also, gerne ich fühle mich wirklich geehrt!“, meinte ich freudig. „Super, ich freue mich auf dich.“, er legte seine Hand auf meine Schulter und ich spürte etwas Kaltes. Mein Blick viel auf eine Prothese aus Metall, welche offensichtlich die Hand ersetzte, die er schon lange nicht mehr hatte.
Der Junge, der übrigens Mike heißt, und ich wurden beste Freunde. Ich spiele nun Basketball und verstehe mich auch super mit Mark. So wie man sieht hat sich wohl doch alles zum Guten gewendet und meine Familie ist stolz auf mich. Eins habe ich dank der Gang, die mittlerweile nicht mehr so cool ist und auch nicht mehr wirklich befreundet ist, gelernt: Miteinander bedeutet Mit-einem-anderen und heißt nicht in zwanghaft versuchen gleich zu sein um das scheinbar perfekte Miteinander zu bekommen, es sagt aus jemanden zu mögen so wie er ist, ihm unter die Arme zu greifen, wenn er es braucht und mit ihm Dinge zu erleben, sich auf den anderen einzulassen egal wie anders er auch seien mag. Jeder ist verschieden! Also lasst uns, uns gegenseitig unterstützen, so wie jeder ist, denn nur so kommen wir zum Miteinander welches von manchen aufgrund ihrer Besonderheiten oft gesucht wird, obwohl es so nah ist.
Paula

 
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