Bananenrufe im Bundestag
MdB Jung über Ausfälle der AfD, die Vorzüge von Whatsapp und den Mut zur eigenen Meinung
Bruchsal (Be). Seit rund einem halben Jahr sitzt der Bruchsaler Dr. Christian Jung für die FDP erst im Bundestag, an intensiven, emotionalen und bisweilen schockierend absurden Momenten ist der 40-Jährige aber bereits um einen großen Erfahrungsschatz reicher. „Da unsere Fraktion direkt neben der AfD sitzt, hören wir auch die Kommentare, die von den Mikrofonen nicht aufgenommen werden“, erzählte der frühere Lehrer, der über die Landesliste ins Parlament einzog und bis zur Wahl selbst als Studiendirektor in Bietigheim-Bissingen tätig war, jetzt vor Schülerinnen und Schülern des Heisenberg-Gymnasiums Bruchsal (HBG). Völkisches Denken und ein Tonfall wie zu dunkelsten Zeiten seien in der rechtspopulistischen Partei an der Tagesordnung. Die FDP werde deshalb eine Änderung der Sitzordnung im Bundestag als Vorbedingung für einen möglichen künftigen Koalitionsvertrag nennen. „Das meine ich sehr ernst“, betonte der gebürtige Heidelberger gegenüber den Zehntklässlern des HBG sowie dem Gemeinschaftskunde-Neigungskurs der Klassenstufe elf, „zumal wir uns politisch nicht zwischen CDU/CSU und AfD verorten, sondern in der Mitte!“ Bereits im kurzen Vorgespräch mit Schulleiter Anton Schneider, Fachvertreter Henning Belle und interessierten Kollegen hatte Jung auf diese Problematik hingewiesen und u.a. von nur im näheren Umkreis wahrzunehmenden rassistischen Kommentaren („Banane, Banane“) bei der Rede eines dunkelhäutigen Abgeordnetenkollegen erzählt. Seine Abscheu angesichts solcher Entgleisungen waren dem promovierten Historiker und ehemaligen Gemeinschaftskundelehrer dabei noch immer anzumerken.
In der Oberstufenbibliothek des HBG berichtete der zweifache Vater dann aber auch ausführlich über seinen neuen Arbeitsalltag seit dem Wechsel nach Berlin sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Da Abgeordnete kleiner Parteien sowohl ein größeres Themenfeld als auch eine größere Region abdecken müssten, sei er manchmal lange unterwegs ohne seine Kinder in Bruchsal in den Arm nehmen zu können. „Aber zum Glück gibt es die Videofunktion auf Whatsapp“, ließ Jung die interessierte Fragestellerin wissen. Im Übrigen versuche er jede freie Minute zu Hause zu verbringen, auch wenn das manchmal nur schwer zu organisieren sei.
Wie schon bei den vorherigen Besuchen der Abgeordneten Danyal Bayaz (Bündnis 90/Die Grünen) und Olav Gutting (CDU) deckten die in der Diskussions- und Fragerunde angesprochenen Themen viele verschiedene Politikfelder ab. Jung spannte den Bogen von der Verkehrssituation rund um Bruchsal und möglichen Dieselfahrverboten, über den Anschlag in Münster samt vorschneller Twitter-Hetze aus der AfD bis hin zu Fragen der Digitalisierung, der Energiewende oder der Bedeutung von Corporate Social Responsibility.
Gefragt nach der möglichen Ergänzung der repräsentativen Demokratie durch mehr direktdemokratische Elemente auf Bundesebene zeigte sich Jung zwar in einem Punkt gesprächsbereit („Warum nicht den Bundespräsidenten vom Volk wählen lassen?“), warnte ansonsten aber vor den Schattenseiten wie dem möglichen Missbrauch durch Populisten, grundgesetzwidrigen Forderungen („Todesstrafe für Kindermörder?“) oder schlichtweg Unwissenheit. „Viele Briten haben beispielsweise erst nach der Wahl gegoogelt, was der Brexit überhaupt bedeutet“, unterstrich Jung, der an die Zuhörinnen und Zuhörer entsprechend eindringlich appellierte, das aktuelle Geschehen zu verfolgen, sich seriös zu informieren und auf dieser Basis auch Dinge in Frage zu stellen. „Bleibt kritisch und habt stets den Mut zur eigenen Meinung!“, gab er den Jugendlichen zum Abschluss mit auf den Weg, ehe er in den sozialen Medien (Twitter, Instagram, Facebook) und auf seiner Homepage den Gesprächsverlauf lobte.